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Ingelheim, Kreis Mainz-Bingen, Rheinland-Pfalz, Deutschland



 


Notizen:
Wikipedia 2020:

Ingelheim am Rhein ist eine große kreisangehörige Stadt im Landkreis Mainz-Bingen in Rheinland-Pfalz und seit 1996 Sitz der Kreisverwaltung dieses Kreises. Sie ist gemäß Landesplanung als Mittelzentrum klassifiziert.

Seit der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts befand sich dort die Ingelheimer Kaiserpfalz, die den Kaisern und Königen bis ins 11. Jahrhundert zeitweise als Aufenthalts- und Regierungsort diente. Auf diese Zeit folgte die Herrschaft der Grafen von Ingelheim in Ober-Ingelheim und die Blütezeit des Ingelheimer Oberhofs im Spätmittelalter, von dessen Prozessen die Ingelheimer Haderbücher zeugen. Bekanntester Sohn der Stadt war Sebastian Münster, Autor der Cosmographia. Er wurde in Nieder-Ingelheim geboren, sein Porträt zierte die vorletzte Version des 100-D-Mark-Scheines. Überregionale Bekanntheit erlangte die Stadt durch das 1885 von Albert Boehringer in Nieder-Ingelheim gegründete Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim.

Ingelheim selbst wurde erst 1939 zur Stadt erhoben. Dabei wurden die vorher eigenständigen Gemeinden Frei-Weinheim, Ober-Ingelheim und Nieder-Ingelheim zusammengeschlossen. Das Gebiet um den Bahnhof in Nieder-Ingelheim wurde in diesem Kontext zur Stadtmitte bestimmt, in dem sich in den Nachkriegsjahren die heutige Innenstadt entwickelt hat. Aufgrund des überwiegenden Rotweinanbaus wird Ingelheim als „Rotweinstadt“ bezeichnet.

Geschichte:

Der Name Ingel leitet sich womöglich von einem Franken namens Ingilo ab, der sich hier niederließ. Siedlungen und Höfe wurden damals mit dem Namen ihres Herren versehen. Die für Rheinhessen typische Endung -heim geht wohl ebenso auf die fränkische Zeit zurück, wahrscheinlich 5. oder 6. Jahrhundert n. Christus. Der Ortsname ist in Urkunden späterer Zeiten unter anderem als Ingilinhaim, Ingilinheim (782), Ingilenhaim, Engelheim, Hengilonheim, Engilonheim (822), Engilinheim (826), Hingilinheim (855), Ingilunheim (874), Ingulinheim (889), Ingelesheim (891), Ingelenheim (940), Anglia sedes (1051), Ingilheim und Ingelnheim (1286) überliefert. Der Namenszusatz am Rhein wird seit der Verleihung der Stadtrechte 1939 verwendet. Seit 1269 wird zwischen Nieder- und Ober-Ingelheim unterschieden.

Funde von Faustkeilen legen nahe, dass das Gebiet um Ingelheim bereits in der Altsteinzeit vor ungefähr 50.000 Jahren besiedelt wurde. Nach der Eroberung durch die Römer diente die Gegend zur Versorgung der römischen Truppen und der Bevölkerung des damaligen Mogontiacum. Im dritten und vierten Jahrhundert folgten aufgrund der Nähe zu Mainz massive Zerstörungen, was zum Ende des Vicus und aller Villae führte.

Ab dem 5. Jahrhundert wurde der Raum Ingelheim von den Franken besiedelt. In dieser Zeit entwickelte sich das heutige Ober-Ingelheim als eine der ersten Ingelheimer Siedlungen zum Dorf. Die nähere Region um Ingelheim war später bekannt als Ingelheimer Reich, ab dem 14. Jahrhundert dann als Ingelheimer Grund. Überregionale Bedeutung errang das Ingelheimer Reich mit dem Beschluss Karls des Großen, ein Königsgut der Merowinger zur Kaiserpfalz auszubauen, bei der etwas später Nieder-Ingelheim entstand. Karls erster urkundlich nachgewiesener Aufenthalt datiert von 774. Insgesamt hielt er sich drei- bis viermal in Ingelheim auf. Sein Nachfolger wurde sein Sohn Ludwig der Fromme. Dieser hielt sich deutlich öfter in Ingelheim auf, mindestens zehnmal. Er verstarb auch in Ingelheim, vermutlich auf einer der Rheinauen bei Ingelheim. Die Kaiserpfalz diente im Mittelalter vielen weiteren deutschen Königen und Kaisern der Staufer, Ottonen und Salier als Stützpunkt. Unter Otto I. hatte die Kaiserpfalz ihre zweite Blütezeit, nachdem sie lange vernachlässigt worden war. In der Zeit der Salierkönige, die Mainz als Bischofssitz bevorzugten, wurde die Ingelheimer Pfalz lange wenig benutzt. Unter dem Nachfolger Friedrich I. Barbarossa fand in der Kaiserpfalz eine Reihe von Umbaumaßnahmen statt. Er baute die Pfalz als befestigte Reichsburg aus. Vom 8. bis 10. Jahrhundert wurden insgesamt neun Ingelheimer Synoden in dieser Pfalz abgehalten.

Ab dem 13. Jahrhundert setzte ein langsamer Niedergang ein, der in der politischen Bedeutungslosigkeit Nieder-Ingelheims endete. Im 14. Jahrhundert war das Ende des Ingelheimer Reichs mit der mehrstufigen Verpfändung des Gebiets endgültig besiegelt. Damit stieg die Bedeutung Ober-Ingelheims. Dort waren die Adelsfamilien, die ehemals zur Verwaltung der Kaiserpfalz gehörten, ansässig, darunter die späteren Grafen von Ingelheim. Der Ort erhielt im 13. Jahrhundert eine Stadtbefestigung.

Der Ingelheimer Oberhof im Ingelheimer Grund, wie das Gebiet nach dem 14. Jahrhundert hieß, war über Jahrhunderte eine Berufungsinstanz umliegender Schöffengerichte. Kaiser Karl IV. verpfändete den Ingelheimer Grund im Jahr 1356 erneut, diesmal an die Stadt Mainz und 1375 mit der Reichsstadt Oppenheim und anderen Reichsorten an den Kurfürsten Ruprecht I. von der Pfalz auf Lebenszeit. Am 1. Mai 1376 erfolgte die Huldigung des Kurfürsten und der Ingelheimer Grund wurde faktisch kurpfälzisch. Er übertrug die Pfandschaft an seinen Sohn Ludwig, der dafür 100.000 Gulden zahlte.

Im Jahre 1488 wurde Ingelheims berühmtester Sohn, der Kosmograph Sebastian Münster, geboren. Er war Mitautor des neben der Bibel meistgelesenen Buches des 16. – 17. Jahrhunderts, der Cosmographia, einer historisch-geographischen Beschreibung der Welt. Mitte des 16. Jahrhunderts gab es im Ingelheimer Grund Hexenprozesse mit der Folge, dass drei Frauen verbrannt wurden. Im 17. Jahrhundert wurden durch den mittlerweile großen Einfluss der Kurpfalz auf das Gerichtswesen in den kurpfälzischen Gebieten weitere Prozesse verhindert.

Der Dreißigjährige Krieg und der Pfälzer Erbfolgekrieg verschonten die beiden Ingelheimer Orte weitgehend in ihrer Bausubstanz. Allerdings ging der Wohlstand in diesen Jahrhunderten deutlich zurück. Auch wurden verwertbare Reste, vorwiegend Säulen der mittlerweile zur Ruine gewordenen Kaiserpfalz, für den Aufbau des Heidelberger Schlosses abtransportiert. Der Ingelheimer Grund wurde nach dem Friedensschluss von Münster und Osnabrück von 1648 (Westfälischer Friede) von der alten Reichspfandschaft in kurpfälzisches Territorium umgewandelt. Das Jahr 1680 bedeutete das Ende des Oberhofes in Ober-Ingelheim, der vom kurpfälzischen Hofgericht ersetzt wurde. Im Ingelheimer Grund wütete 1666 acht Monate lang die Pest, der ein Großteil der Bevölkerung zum Opfer fiel.

Die Heidelberger Kurfürsten führten ab 1556 die Reformation im Ingelheimer Grund ein. Zuerst lutherisch unter Ottheinrich, ab 1565 radikal reformiert unter Friedrich III. Durch den Wechsel der Wittelsbacher Zweige mit verschiedenen Konfessionen ergab sich im 17. Jahrhundert ein Nebeneinander und oft ein Gegeneinander der Konfessionen katholisch, lutherisch und kalvinistisch-reformiert. Umstritten war vor allem die Nutzung der Kirchen und ihrer Einkünfte durch Pfarrer und für den Schulunterricht. Nachdem eine Verordnung von 1698 zur gemeinsamen Benutzung der Kirchen (Simultaneum) keinen Konfessionsfrieden gebracht hatte, wurden in der Religions-Deklaration von 1705 Kirchen und Kirchengut zwischen Katholiken und Reformierten aufgeteilt. Die katholische Gemeinde von Nieder-Ingelheim erhielt St. Remigius, die evangelische Gemeinde die Kirchenruine der heutigen Saalkirche in der Kaiserpfalz. In Ober-Ingelheim bekamen die Reformierten die heutige Burgkirche, die Katholiken mussten sich (wie die zahlenmäßig wenigen Lutheraner) eine eigene Kirche in Ober-Ingelheim bauen, St. Michael. Jesuiten errichteten um 1737 in Nieder-Ingelheim ein Missionsgut. Die Mission bestand auch noch nach der Auflösung des Ordens bis zur Säkularisation des Kirchengutes in der französischen Zeit. Die Bibliothek des Gutes bestand aus 336 Werken.

Ende des 18. Jahrhunderts besetzten französische Revolutionstruppen Ingelheim, ihnen diente das Ingelheimer Gebiet bei Belagerungen von Mainz als Einquartierungs- und Versorgungsgebiet. Im Frieden von Campo Formio wurde 1797 beschlossen, dass das linksrheinische Gebiet des Heiligen Römischen Reichs an Frankreich fiel. Somit war der Ingelheimer Grund französisch. Auch die Sonderstellung des Grundes, die ein ganzes Jahrtausend Bestand hatte, war damit beendet.

Die napoleonische Zeit ab 1804 brachte den Ingelheimer Orten in dem neu geschaffenen Kanton Oberingelheim im Departement Donnersberg, das nun zu Frankreich gehörte, einen gehörigen Modernisierungsschub. Eine neuzeitliche Verwaltung wurde eingeführt, der Ingelheimer Adel musste die Orte verlassen und eine moderne Besitzkultur etablierte sich. Nach der Völkerschlacht bei Leipzig zogen sich die Franzosen wieder zurück, die Preußen und deren Verbündete überquerten 1814 den Rhein und beendeten damit die französische Vorherrschaft in diesem Gebiet. 1816 fielen die Ingelheimer Dörfer nach provisorischer bayerisch-österreichischer Verwaltung an das Großherzogtum Hessen (Hessen-Darmstadt) als Provinz Rheinhessen. Der Kanton Oberingelheim blieb vorerst bestehen, wurde aber 1835 aufgelöst und in den Kreis Bingen eingegliedert. Zeugnis der hessischen Verwaltungszeit ist das ehemalige hessische Amtsgericht im Neuweg. An der Revolution 1848/49 beteiligten sich auch Ingelheimer Bürger. Beim Aufenthalt des späteren Kaisers und damaligen Prinzen Wilhelm I. am 12. Juni 1849 als Kommandierender der „Operationsarmee in Baden und in der Pfalz“ bei Ingelheim entging er nur knapp einem Attentat. Die Folge war, dass in den Ingelheimer Orten hessische und später preußische Truppen zwangseinquartiert wurden.

Die 1860er Jahre brachten die Industrialisierung, deren Zeugnisse vor allem in Nieder-Ingelheim noch zu sehen sind. Am 17. Oktober wurde die Eisenbahnstrecke zwischen Mainz und Bingen eingeweiht und Nieder-Ingelheim bekam einen Bahnhof, der damals schon Ingelheim hieß. Die Strecke wurde durch die Hessische Ludwigsbahn betrieben. Von den vielen Industriebetrieben des 19. Jahrhunderts ist nur das Familienunternehmen Boehringer Ingelheim übrig geblieben. Den preußisch-österreichischen Krieg (Hessen-Darmstadt stand wie Hessen-Kassel auf österreichischer Seite) 1866 überstand Ingelheim unbeschadet, wurde aber von preußischen Truppen besetzt, dieser Zustand war aber bereits Mitte 1866 wieder beendet.

Der neue nationale Geist des 1871 geschaffenen Kaiserreichs fand auch im Ingelheimer Gebiet Anklang. Zeugnis davon ist der Bismarckturm auf dem Westerberg auf Ober-Ingelheimer Gemarkung. 1911 wurde die Eisenbahnstrecke zwischen Frei-Weinheim und Partenheim in Betrieb genommen, das so genannte Zuckerlottche (Selztalbahn). Sie war bis 1985 in Betrieb. Nach dem Ersten Weltkrieg, der 288 Kriegsopfer forderte, waren auch die Ingelheimer Dörfer von der linksrheinischen Besetzung durch die Franzosen betroffen. 1925 gab es erste Diskussionen um die Zusammenlegung der Dörfer Ober-Ingelheim und Nieder-Ingelheim zur Stadt Groß-Ingelheim, die allerdings am Widerstand der Nieder-Ingelheimer Bevölkerung scheiterte.

Ort : Geographische Breite: 49.974167, Geographische Länge: 8.054167

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